Dienstag, 8. Mai 2012
Einundzwanzig
delgrain, 22:06h
Einundzwanzig, das ist ein Alter zwischen Studiumsende und Start ins Berufsleben, ein Alter zwischen Single-Leben und Leben mit Frau und Kind. Einundzwanzig, das ist ein Alter zwischen alten Freunden und neuen Bekanntschaften, ein Alter zwischen alter Last und neuen Möglichkeiten. Einundzwanzig, das ist ein Alter, nicht ganz Vergangenheit, aber auch nicht ganz Zukunft.
Einundzwanzig werden, das bedeutet für mich: Allein ins Berghain. Um 00:00 steige ich in die Tram, um 00:15 hebe ich massenweise Geld ab, um 00:30 kaufe ich mir ein Bier am Ostbahnhof, kurz danach stehe ich in der Schlange. In jeder Klubschlange würde ich mich alleine auch so fühlen, aber im Berghain weiß ich, dass die zehn Jungs vom Dorf nicht reinkommen werden, die französische Reisegruppe auch nicht, die Engländer, die lauthals prahlen "I'm gonna destroy this club!" schon gar nicht. Trotzdem werden wieder mehrere Leute nach Hause geschickt, die ich reingelassen hätte, oder die zumindest besser aussehen als ich. Deshalb: nervöses Fummeln und Ziehen an Jacke, Hemd und Haaren. Schließlich der stramme Blick und das ehrfurchtsvolle Nicken in drei leere Gesichter. Der Erste: Jo. Der Zweite: Ok. Der Dritte: - - . Drin.
Natürlich ist so früh am Abend noch nichts los, deshalb trinke ich erst einmal einen mit Fanis. Fanis stand in der Schlange hinter/neben mir und arbeitet für eine ONG. ich erzähle ihm (stolz), dass in Luxemburg nur 3 Leute Kony stoppen wollten, er raucht einen Joint, die Schaukel schaukelt, erster Rundgang auf den Toiletten. Dann tanzen, neben einer Gruppe college girls, die ja wohl irgendwie anders reingekommen sind oder um 3 nach Hause geschickt werden. Dann und wann zuckt ein Strobo durch den Raum, es ist noch sehr hell, die Musik rumpelt und springt: Das ist noch alles sehr halbherzig. Deshalb gehe ich erstmal hoch zur Panorama Bar und gönne mir einen viel zu starken Cuba Libre, drehe ein paar Runden über die Tanzfläche und lasse mich am Fenster auf der Heizung nieder, zwischen den Klokabinen.
In der nächsten Stunde rede ich in 5 verschieden Sprachen Menschen an oder werde angesprochen. Dann, endlich: ein italienisches Paar lacht und stolpert herein, setzt sich neben mich. Wir sind sofort im Gespräch. Namen werden ausgetauscht, Sympathien. Dann: haben, wollen, Tür zu, Hand auf, ein Blick, ein Tausch, eine letzte Frage, ein Schulterklopfen und wieder raus. Sicherheitshalber die Nummer einspeichern, noch etwas abwarten, dann Tanzen gehen mit der Freundin des Italieners, Wasser holen, wieder tanzen, wieder Wasser, auf dem Klo hängen bleiben. Wahllose Gespräche mit wahllosen Leuten.
Irgendwann schleppe ich ein Mädchen runter ins Berghain, oder sie mich. Sie findet Gesaffelstein heiß, ich wiege ab. Trotzdem stellen wir uns ganz nach vorn, etwas links, in der Mitte, oder doch rechts? Nein rechts auf keinen Fall. Die Orientierungspunkte verschwimmen, alles ist nur noch Nebel und Rauch, elektronische Klänge brechen aus den Boxen aus, schießen unter die Decke und wieder hinab und erfüllen den ganzen Raum.
Meine einzige Erinnerung an die nächsten 2 Stunden wird eine Notiz in meinem Handy sein von 5 Uhr 25: "Ist das schon Gesaffelstein? Siehst du ihn?" - Verfasser unbekannt.
Gegen 8 Uhr finde ich mich dann wieder, wie ich in der Panorama Bar in einer Ledercouch hänge und hoffe, dass der Bass mir jedes Übel aus dem Magen vibriert. Mir wird immer heißer, mein ganzer Körper schwitzt und glüht, mein Herz schlägt immer rasanter, meine Finger tippen verzweifelte Textnachrichten in mein Mobiltelefon. Immer wieder fühle ich mich besser und will weitertanzen, aber mit dem Aufstehen kommt die Übelkeit zurück. Schließlich bleibt mir keine Wahl: Ich muss kotzen. So hänge ich wieder einmal auf dem Klo rum, aber diesmal schuldig, verängstigt, eingeschüchtert, zitternd. In der Kabine versuche ich zuerst im Stehen zu würgen, dann beuge ich mich über die mit Scheiße und Graffiti verschmierte Kloschüssel. Würgen ins Leere. Tränen in den Augen. Dann geht die Tür auf: der Italiener. Schnell weg hier.
Um 9 dann wieder tanzen, irgendwie geht es wieder, das ist das Gute am Schwitzen. Da kommt dann eine zweite Luft, eine neue Energie. Da wird dann wieder hemmungslos gelacht, mit wildfremden Leuten geredet. Verzeihung, ich weiß es ging mir schlecht, aber ich muss noch mal nachhelfen, das ist das Berghain, und ich gehe nicht, bis diesen Raum nichts anderes mehr füllt als Tageslicht.
Und das passiert leider viel zu früh, am Ende hänge ich in der Luft mit den Jalousien, die ganz langsam hochgefahren werden. Ich sehe den Italiener noch, aber sonst ist jeder verschwunden, der Grieche vom Anfang, die Freundin des Italieners, die Kleine mit der ich zu Gesaffelstein war, war da nicht noch die Süße, die mich irgendwann "gedrückt" hat? Aber jetzt sind sie alle verschwunden, es ist nur noch ein suchendes Kopfedrehen, ein letzter Tanzschritt, ein letztes Klatschen, volle Sonne: Das letzte Lied. Dann schleiche ich an den Türstehern vorbei in die viel zu warme Nachmittagssonne. Ich will mich verabschieden, aus meinem Hals kommt aber nichts als ein stummes Murksen, also nicke ich. In dem Moment fühle ich mich sehr klein.
Einundzwanzig werden, das bedeutet für mich: Allein ins Berghain. Um 00:00 steige ich in die Tram, um 00:15 hebe ich massenweise Geld ab, um 00:30 kaufe ich mir ein Bier am Ostbahnhof, kurz danach stehe ich in der Schlange. In jeder Klubschlange würde ich mich alleine auch so fühlen, aber im Berghain weiß ich, dass die zehn Jungs vom Dorf nicht reinkommen werden, die französische Reisegruppe auch nicht, die Engländer, die lauthals prahlen "I'm gonna destroy this club!" schon gar nicht. Trotzdem werden wieder mehrere Leute nach Hause geschickt, die ich reingelassen hätte, oder die zumindest besser aussehen als ich. Deshalb: nervöses Fummeln und Ziehen an Jacke, Hemd und Haaren. Schließlich der stramme Blick und das ehrfurchtsvolle Nicken in drei leere Gesichter. Der Erste: Jo. Der Zweite: Ok. Der Dritte: - - . Drin.
Natürlich ist so früh am Abend noch nichts los, deshalb trinke ich erst einmal einen mit Fanis. Fanis stand in der Schlange hinter/neben mir und arbeitet für eine ONG. ich erzähle ihm (stolz), dass in Luxemburg nur 3 Leute Kony stoppen wollten, er raucht einen Joint, die Schaukel schaukelt, erster Rundgang auf den Toiletten. Dann tanzen, neben einer Gruppe college girls, die ja wohl irgendwie anders reingekommen sind oder um 3 nach Hause geschickt werden. Dann und wann zuckt ein Strobo durch den Raum, es ist noch sehr hell, die Musik rumpelt und springt: Das ist noch alles sehr halbherzig. Deshalb gehe ich erstmal hoch zur Panorama Bar und gönne mir einen viel zu starken Cuba Libre, drehe ein paar Runden über die Tanzfläche und lasse mich am Fenster auf der Heizung nieder, zwischen den Klokabinen.
In der nächsten Stunde rede ich in 5 verschieden Sprachen Menschen an oder werde angesprochen. Dann, endlich: ein italienisches Paar lacht und stolpert herein, setzt sich neben mich. Wir sind sofort im Gespräch. Namen werden ausgetauscht, Sympathien. Dann: haben, wollen, Tür zu, Hand auf, ein Blick, ein Tausch, eine letzte Frage, ein Schulterklopfen und wieder raus. Sicherheitshalber die Nummer einspeichern, noch etwas abwarten, dann Tanzen gehen mit der Freundin des Italieners, Wasser holen, wieder tanzen, wieder Wasser, auf dem Klo hängen bleiben. Wahllose Gespräche mit wahllosen Leuten.
Irgendwann schleppe ich ein Mädchen runter ins Berghain, oder sie mich. Sie findet Gesaffelstein heiß, ich wiege ab. Trotzdem stellen wir uns ganz nach vorn, etwas links, in der Mitte, oder doch rechts? Nein rechts auf keinen Fall. Die Orientierungspunkte verschwimmen, alles ist nur noch Nebel und Rauch, elektronische Klänge brechen aus den Boxen aus, schießen unter die Decke und wieder hinab und erfüllen den ganzen Raum.
Meine einzige Erinnerung an die nächsten 2 Stunden wird eine Notiz in meinem Handy sein von 5 Uhr 25: "Ist das schon Gesaffelstein? Siehst du ihn?" - Verfasser unbekannt.
Gegen 8 Uhr finde ich mich dann wieder, wie ich in der Panorama Bar in einer Ledercouch hänge und hoffe, dass der Bass mir jedes Übel aus dem Magen vibriert. Mir wird immer heißer, mein ganzer Körper schwitzt und glüht, mein Herz schlägt immer rasanter, meine Finger tippen verzweifelte Textnachrichten in mein Mobiltelefon. Immer wieder fühle ich mich besser und will weitertanzen, aber mit dem Aufstehen kommt die Übelkeit zurück. Schließlich bleibt mir keine Wahl: Ich muss kotzen. So hänge ich wieder einmal auf dem Klo rum, aber diesmal schuldig, verängstigt, eingeschüchtert, zitternd. In der Kabine versuche ich zuerst im Stehen zu würgen, dann beuge ich mich über die mit Scheiße und Graffiti verschmierte Kloschüssel. Würgen ins Leere. Tränen in den Augen. Dann geht die Tür auf: der Italiener. Schnell weg hier.
Um 9 dann wieder tanzen, irgendwie geht es wieder, das ist das Gute am Schwitzen. Da kommt dann eine zweite Luft, eine neue Energie. Da wird dann wieder hemmungslos gelacht, mit wildfremden Leuten geredet. Verzeihung, ich weiß es ging mir schlecht, aber ich muss noch mal nachhelfen, das ist das Berghain, und ich gehe nicht, bis diesen Raum nichts anderes mehr füllt als Tageslicht.
Und das passiert leider viel zu früh, am Ende hänge ich in der Luft mit den Jalousien, die ganz langsam hochgefahren werden. Ich sehe den Italiener noch, aber sonst ist jeder verschwunden, der Grieche vom Anfang, die Freundin des Italieners, die Kleine mit der ich zu Gesaffelstein war, war da nicht noch die Süße, die mich irgendwann "gedrückt" hat? Aber jetzt sind sie alle verschwunden, es ist nur noch ein suchendes Kopfedrehen, ein letzter Tanzschritt, ein letztes Klatschen, volle Sonne: Das letzte Lied. Dann schleiche ich an den Türstehern vorbei in die viel zu warme Nachmittagssonne. Ich will mich verabschieden, aus meinem Hals kommt aber nichts als ein stummes Murksen, also nicke ich. In dem Moment fühle ich mich sehr klein.
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