... newer stories
Freitag, 11. Mai 2012
Überfall
delgrain, 02:42h
Eigentlich wollte ich ja über das letzte Wochenende keinen Text verfassen. Am Ende ist es dann doch immer dasselbe, was jeder andere auch erlebt. Bis heute aber hat mich das letzte Wochenende nicht losgelassen, denn es war das schrecklichste Wochenende meines Lebens.
Es ist wirklich alles schief gelaufen. Angefangen damit, dass mein geplantes "forget everything"-Date am Samstag nicht zustande kam. Also traf ich mich mit einem Kumpel am Kotti, trank schnell mein erstes Bier, und fuhr mehrmals U-bahn und lief auch mehrmals durch die Straßen, ohne zu wissen wohin wir gingen.
Irgendwann saßen wir dann jedenfalls in einer Bar, eine Freundin hatten wir wohl auch irgendwo aufgegriffen, denn ich hatte sie gerade verabschiedet, da geschah das nächste Missgeschick. Ich hatte mein Handy, meinem Zustand angemessen, lose in der Hand baumeln, um meinem Kumpel anzurufen, der seit längerem verschwunden war. Da stand dann auf einmal ein Türke neben mir, legte den einen Arm um mich und hielt mich ganz offensichtlich für einen Touristen, als er fragte: "Wie geht es dir mein Freund, gut?" Zu dem Zeitpunkt hatte er schon mein Handy in seiner Hand.
- "Ich will meinen Kumpel anrufen, kannst du mir bitte mein Handy zurückgeben?"
- "Alter kein Problem, lass mir, ich ruf dein Kumpel an, gib mir Nummer."
- "Ja, die steht in meinem Handy."
- "Ja ja Alter, ich weiß wie geht."
Das war dann schon sehr aggressiv aufgeladen, und spätestens als er es fertig brachte, die Nummer mit 9 "x" zwischen den Ziffern einzugeben, wusste ich dass hier etwas falsch lief.
Dann stürmte mein neuer "Freund" mit meinem Handy aus der Bar. "Ich kann hier nicht telefonieren", meinte er dazu. Innerhalb weniger als einer Sekunde musste ich also entscheiden, ob ich meine Jacke seinen wie Haie lauernden Freunden dalassen würde oder mitnahm, nahm sie mit und lief ihm nach.
Unter einem schlecht beleuchteten Hauseingang konnte ich ihm sogar mein Handy wieder aus der Hand reißen, aber im Moment der Entspannung und Beruhigung, dass alles nochmal gut gegangen sei, konnte er es mir wieder entwenden.
Dann fragte ich aus irgendeinem Grund, ob er einen Dönerladen in der Gegend kenne, und so ging es in den Dönerladen seines angeblichen Vaters, dem er beim Eintreten zunickte, wie sich Kriminelle vor der Geldübergabe zunickten, oder bevor sie ihre Geisel erschossen.
Von seinen vier Kollegen, die mich die ganze Zeit außerhalb meines Blickwinkels einkreisten, schnappte ich einzelne Wortfetzen wie "verkaufen" auf, also sagte ich ihm dann, wenn er mir was verkaufen wolle, solle er mich einfach fragen und mir mein Handy wiedergeben. Da regte er sich dann zuerst mal auf, dass ich sowas vor seinem Vater sagte, rannte auf das Klo und wollte erst meine 50 Euro einstecken und mir dann mein Handy geben.
Ich starrte in das drahtige, blasse Gesicht, in die verrückt-wilden Augen. Um den Mund tanzte ihm der Schaum der Tollwut, und mir wurde bewusst, jetzt hieß es entweder Handy, Geld, oder drei Zähne weg. Zum Glück bekam ich gegen einen frisch abgehobenen Fünfziger tatsächlich mein Handy zurück, die Spannung löste sich etwas, er hatte natürlich gutes Koks, und er sei in fünf Minuten wieder vor dem Laden.
Ich hätte warten können, aber so naiv war ich nicht, der Deal war gelaufen, er hatte sich gedacht: "Naja, HTC ist schwerer zu verticken als iPhone, also knüpf ich ihm Geld ab." Ich hatte mir gedacht: "Besser 50 Euro weg als 439 Euro Handy."
Zwei andere Typen die vorhin noch seine Kollegen waren, fragten mich dann was der wollte, und versicherten mir, was ich schon lange wusste, er hätte mich verarscht, und ich hätte was sagen sollen. Dann wollten sie mir Gras verkaufen, aber ich hatte ja kein Geld mehr, und mir dann ihre Nummer geben, aber mein Handy wollte ich nicht mehr aus der Tasche nehmen.
Aber wir wollten ja noch ausgehen, kein Problem, dachte ich mir, hebe ich eben noch etwas Geld auf. Das ging dann auch alles gut, Karte eingeben, Pin eintippen, 50 Euro auswählen, warten. Warten. Warten.. Aber da kam nichts mehr, meine Karte war verschluckt worden, ohne Grund!
Trotzdem ging es zum Club, dort versuchte ich einfach meinen ganz eindeutigen Schock fort zu tanzen und zu trinken. Dies gelang eigentlich ziemlich gut, aber für Kommunikation war ich trotzdem nicht mehr zu haben. Ich war komplett in meiner eigenen Welt, und wenn die Gedanken über die vorherigen Geschehnisse kamen, schüttelte ich einfach den Kopf bis sie weg waren.
Als dann das geilste Lied der Welt lief, das mich schon oft im pursten Rausch den Rest gegeben hatte, musste ich einfach den Dj nach dem Namen fragen. Der Abend/die Nacht hatte also doch einen halbwegs versöhnlichen Abschluss genommen.
Aus dem Club ins fahle Vormittagsgrau geworfen gab es dann aber auch wirklich kein Entkommen mehr. Da kamen dann immer diese fürchterlichen Gesichter, diese Selbstvorwürfe, dieses "Wie dumm! Wie dumm!" Natürlich, es hätte weit schlimmer sein können, ich hätte vielleicht gar nicht mehr im Stand sein können, mich zu fragen was mein Vater nur denken würde. Es hätte aber auch einfach gar nicht sein können.
Aber es war geschehen, und so hasste ich jeden Menschen, der gerade laut genug redete damit ich es hörte, jeden Mensch der lachte, diese asozialen Jugendgruppen, einfach jeden einzelnen Mensch. Und so wurde es noch röter um meine Augen, mein Ausdruck noch verbitterter, und wenn sich in der Bahn ein Kind neben mich setzte, zog es die Mutter weg.
Zu Hause angekommen googelte ich zuerst nach dem Lied. Es war das falsche! Dieser verfickte Dj hatte mir das falsche Lied gegeben, wie ging denn das?!
Dann rief ich die Notrufhotline meiner Bank an, und empfahl ihnen, mein Konto einfach direkt zu löschen, wenn sie es für nötig empfanden meine Karte einzuziehen. Der arme Hotlinetyp meinte, ich müsse zuerst einen Telefon-pin oder Tanliste bestellen, sonst könne er mir leider nicht weiderhelfen. Das tat ich dann, kurz bevor ich meine Tabliste mit Pornovideos füllte. Bis heute ist meine Karte nicht wieder angekommen.
Es ist wirklich alles schief gelaufen. Angefangen damit, dass mein geplantes "forget everything"-Date am Samstag nicht zustande kam. Also traf ich mich mit einem Kumpel am Kotti, trank schnell mein erstes Bier, und fuhr mehrmals U-bahn und lief auch mehrmals durch die Straßen, ohne zu wissen wohin wir gingen.
Irgendwann saßen wir dann jedenfalls in einer Bar, eine Freundin hatten wir wohl auch irgendwo aufgegriffen, denn ich hatte sie gerade verabschiedet, da geschah das nächste Missgeschick. Ich hatte mein Handy, meinem Zustand angemessen, lose in der Hand baumeln, um meinem Kumpel anzurufen, der seit längerem verschwunden war. Da stand dann auf einmal ein Türke neben mir, legte den einen Arm um mich und hielt mich ganz offensichtlich für einen Touristen, als er fragte: "Wie geht es dir mein Freund, gut?" Zu dem Zeitpunkt hatte er schon mein Handy in seiner Hand.
- "Ich will meinen Kumpel anrufen, kannst du mir bitte mein Handy zurückgeben?"
- "Alter kein Problem, lass mir, ich ruf dein Kumpel an, gib mir Nummer."
- "Ja, die steht in meinem Handy."
- "Ja ja Alter, ich weiß wie geht."
Das war dann schon sehr aggressiv aufgeladen, und spätestens als er es fertig brachte, die Nummer mit 9 "x" zwischen den Ziffern einzugeben, wusste ich dass hier etwas falsch lief.
Dann stürmte mein neuer "Freund" mit meinem Handy aus der Bar. "Ich kann hier nicht telefonieren", meinte er dazu. Innerhalb weniger als einer Sekunde musste ich also entscheiden, ob ich meine Jacke seinen wie Haie lauernden Freunden dalassen würde oder mitnahm, nahm sie mit und lief ihm nach.
Unter einem schlecht beleuchteten Hauseingang konnte ich ihm sogar mein Handy wieder aus der Hand reißen, aber im Moment der Entspannung und Beruhigung, dass alles nochmal gut gegangen sei, konnte er es mir wieder entwenden.
Dann fragte ich aus irgendeinem Grund, ob er einen Dönerladen in der Gegend kenne, und so ging es in den Dönerladen seines angeblichen Vaters, dem er beim Eintreten zunickte, wie sich Kriminelle vor der Geldübergabe zunickten, oder bevor sie ihre Geisel erschossen.
Von seinen vier Kollegen, die mich die ganze Zeit außerhalb meines Blickwinkels einkreisten, schnappte ich einzelne Wortfetzen wie "verkaufen" auf, also sagte ich ihm dann, wenn er mir was verkaufen wolle, solle er mich einfach fragen und mir mein Handy wiedergeben. Da regte er sich dann zuerst mal auf, dass ich sowas vor seinem Vater sagte, rannte auf das Klo und wollte erst meine 50 Euro einstecken und mir dann mein Handy geben.
Ich starrte in das drahtige, blasse Gesicht, in die verrückt-wilden Augen. Um den Mund tanzte ihm der Schaum der Tollwut, und mir wurde bewusst, jetzt hieß es entweder Handy, Geld, oder drei Zähne weg. Zum Glück bekam ich gegen einen frisch abgehobenen Fünfziger tatsächlich mein Handy zurück, die Spannung löste sich etwas, er hatte natürlich gutes Koks, und er sei in fünf Minuten wieder vor dem Laden.
Ich hätte warten können, aber so naiv war ich nicht, der Deal war gelaufen, er hatte sich gedacht: "Naja, HTC ist schwerer zu verticken als iPhone, also knüpf ich ihm Geld ab." Ich hatte mir gedacht: "Besser 50 Euro weg als 439 Euro Handy."
Zwei andere Typen die vorhin noch seine Kollegen waren, fragten mich dann was der wollte, und versicherten mir, was ich schon lange wusste, er hätte mich verarscht, und ich hätte was sagen sollen. Dann wollten sie mir Gras verkaufen, aber ich hatte ja kein Geld mehr, und mir dann ihre Nummer geben, aber mein Handy wollte ich nicht mehr aus der Tasche nehmen.
Aber wir wollten ja noch ausgehen, kein Problem, dachte ich mir, hebe ich eben noch etwas Geld auf. Das ging dann auch alles gut, Karte eingeben, Pin eintippen, 50 Euro auswählen, warten. Warten. Warten.. Aber da kam nichts mehr, meine Karte war verschluckt worden, ohne Grund!
Trotzdem ging es zum Club, dort versuchte ich einfach meinen ganz eindeutigen Schock fort zu tanzen und zu trinken. Dies gelang eigentlich ziemlich gut, aber für Kommunikation war ich trotzdem nicht mehr zu haben. Ich war komplett in meiner eigenen Welt, und wenn die Gedanken über die vorherigen Geschehnisse kamen, schüttelte ich einfach den Kopf bis sie weg waren.
Als dann das geilste Lied der Welt lief, das mich schon oft im pursten Rausch den Rest gegeben hatte, musste ich einfach den Dj nach dem Namen fragen. Der Abend/die Nacht hatte also doch einen halbwegs versöhnlichen Abschluss genommen.
Aus dem Club ins fahle Vormittagsgrau geworfen gab es dann aber auch wirklich kein Entkommen mehr. Da kamen dann immer diese fürchterlichen Gesichter, diese Selbstvorwürfe, dieses "Wie dumm! Wie dumm!" Natürlich, es hätte weit schlimmer sein können, ich hätte vielleicht gar nicht mehr im Stand sein können, mich zu fragen was mein Vater nur denken würde. Es hätte aber auch einfach gar nicht sein können.
Aber es war geschehen, und so hasste ich jeden Menschen, der gerade laut genug redete damit ich es hörte, jeden Mensch der lachte, diese asozialen Jugendgruppen, einfach jeden einzelnen Mensch. Und so wurde es noch röter um meine Augen, mein Ausdruck noch verbitterter, und wenn sich in der Bahn ein Kind neben mich setzte, zog es die Mutter weg.
Zu Hause angekommen googelte ich zuerst nach dem Lied. Es war das falsche! Dieser verfickte Dj hatte mir das falsche Lied gegeben, wie ging denn das?!
Dann rief ich die Notrufhotline meiner Bank an, und empfahl ihnen, mein Konto einfach direkt zu löschen, wenn sie es für nötig empfanden meine Karte einzuziehen. Der arme Hotlinetyp meinte, ich müsse zuerst einen Telefon-pin oder Tanliste bestellen, sonst könne er mir leider nicht weiderhelfen. Das tat ich dann, kurz bevor ich meine Tabliste mit Pornovideos füllte. Bis heute ist meine Karte nicht wieder angekommen.
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories